Sonntag, 8. Mai 2011
Pucon Pt.2 oder: Die Leiden der Jungen Deutschen
Der nächste Morgen begann viel zu früh, jedoch fiel das Aufstehen nicht so schwer wie erwartet. Sachen packen und dann wurden wir um sieben Uhr, es war noch Nacht und kein Mensch auf den Straßen, abgeholt und zum Fuß des Vulkans gefahren. Unsere Reisegruppe war inzwischen um einen Engländer und eine Slowenin reicher, dazu gesellten sich 2 Guides. Auf dem Hinweg war auf dem Gipfel des Vulkans rötlicher Schimmer im Rauch zu sehen, was deutlich werden ließ, dass dieser Vulkan noch lebt.
Wir begannen den Trip bei starkem Wind, hoch motiviert und nicht ahnend, was noch kommen würde.



Zunächst ging es entlang der sich auf Grund des starken Windes außer Betrieb befindlichen Seilbahn.



250 Meter zum Warmwerden, was auch relativ wörtlich zu nehmen ist, schließlich drang der starke Wind nicht durch 4 Lagen Oberteile, wovon eine Softshell war und eine ein bergtauglicher, wind- und wasserdichter Überwurf. Dazu noch 2 Lagen Hose, fertig war das Treibhausoutfit. Dann kurz die Kleidung um eine Lage erleichtert und die nächsten 250 Meter. Also auf XXX Metern Höhe, nach etwa dem ersten Drittel die erste richtige Frühstückspause eingelegt, in der Mittelstation der Seilbahn, die auch alle anderen Gruppen aufsuchten. Hier trafen wir auch unsere Dänin wieder, der ich dann noch einmal kurz vermitteln konnte, dass wir sie am Krater erwarten. Der Weg dorthin stellte sich jedoch später als kräftezehrend heraus.

Ab hier ging es mit Unterstützung des Eispickels weiter.



Bei 500 Höhenmetern Entfernung vom Gipfel wurden die Steigeisen unter die Schuhe gezogen (die mir und Nico mittlerweile ordentliche Probleme machten) und dem Eispickel kam eine größere Bedeutung zu.



Kurze Anweisungen, wie ab jetzt zu laufen, zu fallen und sich, nach erfolgreichem Sturz (also ohne Einatmen des Eispickels), abzubremsen wäre. Kurze Info: Man nutzt den Eispickel im Prinzip wie einen Stützstock, nicht wie James Bond. Den Pickel ins Eis/den Schnee rammen und daran hochziehen klappt nicht, sondern wird nur gemacht, wenn man im Begriff ist, abzurutschen. Es galt also die goldene Regel zu beachten: „Nicht hinfallen!“.
Klappt das nicht, hier die silberne Regel: „Wenn du fällst, benutze den Eispickel, aber niemals deine Steigeisen. Folgen: Beine und Knie brechen und dann ist der Spaß vorbei.“.
Bronzene Regel: „Verlierst du deinen Eispickel, heb‘ die Füße an und bremse wie eine Katze: mit deinen Fingern“
„But the best is to go for gold! So DON’T FALL!“
Ok, verstanden...nicht hinfallen. Ist auch keinem wirklich passiert, ins straucheln kamen wir auch kaum. Die gefühlten Kilometer an Höhe, die wir noch über Schnee und am Ende Eis wandern musste, hielten aber einige Überraschungen bereit. Also eigentlich eine, die aber mehrfach. Und zwar sah man hinter einer „Kuppe“ in der Steigung Rauch aufsteigen.



Gedanke: „Ja endlich, da ist der Krater. Nur noch 50 Meter Höhe“ Am vermeintlichen Krater angekommen stellte man dann fest, noch mehr Schnee, noch mehr Eis, kein Krater. Also weiter zur nächsten Kuppe, denn dahinter muss er sein...der Krater. Natürlich war er auch diesmal wieder nicht da. So ging das 4- oder 5-mal. Da man nicht geradeaus hoch, sondern im Zick-Zack den Hang hinaufsteigen musste vervier- oder fünffachte sich die Strecke zusätzlich. Die Letzten 200 Meter waren dann eine echte Qual, nicht nur für mich: kraftlose Beine, viel zu wenig Sauerstoff, Rückenschmerzen und dazu das Gefühl, schon offene Füße zu haben begleiteten Nico und mich. Die anderen beiden sahen jedoch nicht besser aus und auch der Guide gab zu, das Eis würde es auch für ihn schwieriger machen als sonst.
Doch irgendwie haben wir es dann noch geschafft, ordentliche Portion Erfolgsgefühle, ein genialer Ausblick, unter anderem auf einen weiteren Vulkan. Und natürlich... Schwefeldmäpfe.





Der gesunde Menschenverstand setzt einem eine natürliche Grenze, was die zulässige Nähe zum Krater angeht. Der oben gezeigte Ein-/Ausblick hat aber schon gereicht und nach einer kleinen Fotosession ging es ans Picknicken abseits der Schwefeldämpfe, die man aber trotz allem noch deutlich schmecken und spüren konnte. Aber Schwefel hin oder her, es überwog die Freude und das Gefühl: Geschafft...!



Und ein Mittags-Picknick auf 2900 Metern Höhe direkt neben einem Vulkankrater. Das macht man nun auch nicht oft.

Aber 'rauf ist immer nur die eine Hälfte des Weges.

Der Abstieg ging dann zur Abwechslung nicht auf die hintere Oberschenkelseite und den Rücken, sondern auf die Knie und Oberschenkelvorderseite. Vom wenig angenehmen Scheuern in den Schuhen mal ganz abgesehen.



Aber der Lichtblick kam nach 500 Metern Abstieg (das ging deutlich schneller als der Aufstieg, war es auch gefährlicher, weil schwerer zu kontrollieren). Als der Schnee langsam aber sicher eher wieder Schnee denn Eis wurde, durften wir uns dann endlich den Freuden des Wintersports hingeben. Schürze um, Steigeisen ab, auf den Hintern gesetzt und abwärts ging’s, gebremst durch den Eispickel, was bei mir und Nico allerdings dazu führte, dass wir eher den Berg hinab schleuderten als rutschten. Drehungen um die Längsachse in mannigfaltiger Ausführung, Schnee im Gesicht und in der Jacke. Eigentlich sau gefährlich, wenn man bedenkt, dass ich dabei ständig den Eispickel in der Hand hatte. Aber wir kamen unverletzt raus und wann immer möglich (auf ca. zwei Fünfteln des noch kommenden Weges war es gut möglich). Mittlerweile hatte ich auch begriffen, dass man eine gute und eine schlechte Bremsseite hat. Wer mit Bedacht rutschte und die „Schokoladenseite“ kannte, schaffte sichere und trotzdem zügige Abfahrten. Die Guides fuhren so eine Art Ski mit bloßen Schuhen. Wir beließen es bei der großflächigen Auflagefläche und der kleineren Gefahr zu fallen: Wer sitzt, fällt nicht mehr auf den Hintern.



Jetzt machte uns Lavagestein, an der Stelle wo wir beim Aufstieg die Frühstückspause eingelegt hatten, einen Strich durch die Rechnung und es ging die letzten 300 Meter zu Fuß weiter. Dazu Gesäßschutz ablegen, weitere 2 Kleidungsschichten ausziehen und los gings - durch Lavakiesel, die angenehm nachgaben und so einen zügigen Abstieg erlaubten.



Man rutschte schon fast „wedelnd“ abwärts, immer versucht, keinen festen Boden, sondern „weichen“ Untergrund zu erwischen, damit man auch schön nachrutschte. Jeder cm zählte.

Auf einmal stand dann unser Bus vor unserer Nase und es ging wieder ab nach Hause. Welch Wohltat, die Füße hochlegen zu dürfen.



Im Hostal dann die Rücksäcke wieder in Ausgangsbestückung versetzt und abholen lassen. Dann endlich die wohlverdiente Dusche. Und dazu auch noch die erste Dusche in einem Hostal hier, die von der ersten Minute an dauerhaft warmes Wasser lieferte.
Klamotten gepackt, Essen gegangen, ein Pläuschchen mit der Vermieterin gehalten, eine super nette Dame von 65 Jahren, mit der wir das Hostal gänzlich alleine Bewohnten. Die passende Farbe Garn und Nadeln für meinen Pulli, den ich endlich stopfen konnte, hatte sie auch. Verabschiedet und es ging auf zum Bus, die nächste Überraschung abholen:
Wir wurden von - Semi Cama, vorne, oben – auf – Semi Cama Superior, unten, hinten – verschoben. Semi Cama Superior heißt: breitere Sitze, besser gepolsterte Lehnen, etwas mehr Beinfreiheit. Unten hinten hieß leider: der Motor ist dein Nachbar. Macht nix, der Vulkan hat uns ordentlich vorbereitet, in 1 Stunde schliefen wir.
Ankunft: Montag - 07:04, Santiago – Station Universidad de Chile.
Folgend: Heimfahrt, Dusche, Arbeit. Hallo Mai!

P.S. hatte ich erwähnt, dass es in Pucon einen Bäcker namens „Rostock“ gibt, der BAUERNBROT verkauft? Am Stück! Leider hatten wir keine Kapazitäten mehr dafür. Aber erheitert hat es uns schon.